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Immer noch schlaflos in Triggiano

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Hinstreben zur Bühne

Die Nacht wird zum Tag gemacht

Nachdem Triggiano das vorletzte Wochenende zum Feierwochenende der Mutterkirche „Santa Maria Veterana“ erklärt hatte, waren wir bereits an zwei Morgen mit Kanonendonner und mit mehrstündiger Blasmusik unterhalten worden – nur dass am Sonntag die Kapelle tagsüber „Rigoletto“ für die abendliche Vorstellung übte. „Ich wünschte, wir könnten irgendwo hinfahren!“, seufzte ich, als wir unsere Trost-Waffeln aufgegessen hatten.

Die Kapelle spielt Rigoletto

Ausruhen und Musikhören

Das war jedoch leichter gesagt als getan. Am Sonntag hat die regionale Eisenbahngesellschaft „Ferrovie del Sud Est“ ihren freien Tag, d.h. sonntags fahren keine Züge. Und unser Auto stand noch beim Karosseriebauer, denn just eine Woche zuvor hatte ein vecchio rimbambito Auto fahrender Mitmensch versucht, die geöffnete Fahrertür unseres kleinen Pandas aus ihren Angeln zu reißen. Das war ihm zwar nicht gelungen, aber ausgetauscht werden musste sie doch und das dauerte eben ein paar Tage.

Wir waren also buchstäblich gefangen in der Stadt der feierwütigen Katholiken.

Also nutzte ich auch den Sonntagvormittag dazu, auf meiner Terrasse Kartoffeln und Mohrrüben schälend alte Hörspielkassetten auf meinem etwas weniger alten Walkman zu hören. Im Ofen schmorte trotz der sommerlichen Wärme ein Kaninchen und die Aussicht auf ein Gericht ohne Tomatensauce und Nudeln machte mein Leiden an der italienischen Tradition einigermaßen erträglich.

Opas auf der Bank

Opas auf einer Bank

Nach einer abendlichen Geburtstagsfeier bei Luigis Cousine stürzten wir uns dann in das Getümmel in der Altstadt, um die Feier fotografisch festzuhalten. Ein üppiger Lichterschmuck in der Hauptstraße der Altstadt und vor der „Chiesa Madre“ sorgte dafür, dass diese Straßen fast taghell erleuchtet waren, so dass ich auch mit meiner Schnappschusskamera ein paar Szenen einfangen konnte. Um den Rathausplatz drängten sich Stände von Schuh-, Taschen-, Schmuck-, CD- und anderen Verkäufern. Es gab eingelegte Oliven und allerlei Nüsse. Ein paar Frauen der Gemeinde frittierten kleine Polentafladen, die in Triggiano unter dem Namen „sgagliozze“ offensichtlich zu jeder größeren Feier dazugehören. Und natürlich gab es für die ganz Kleinen auch jede Menge Luftballons und sinnloses Plastikspielzeug zu kaufen.

Pentax Digital Camera

Altar nach draußen verlegt

Vor und in den Türen der Mutterkirche drängten sich die Gläubigen. Für alle die, die es nicht bis drinnen schafften, hatte man außen einen „Altar to go“ aufgebaut, neben dem es gegen eine kleine Spende noch ein DIN A4-großes Bild der Madonna mit einem dazugehörigen Gebet zu erwerben gab, damit man die Frömmigkeit auch mit nach Hause nehmen konnte. Und wer mit der Religiosität schon abgeschlossen hatte, fand Rast auf den Stühlen vor dem kleinen Pavillon. Dort erhoben sich gegen neun die Töne der Rigoletto-Ouvertüre in den bunten Nachthimmel und Rigoletto begleitete uns dann auch gegen halb elf ins Bett, denn länger konnte ich mich nicht mehr auf den Beinen halten.

Lichtergasse

Alles strebt zur Piazza hin

Mit der trügerischen Nachtruhe war es jedoch gegen Dreiviertel eins (für alle westlich der Elbe aufgewachsenen: Viertel vor eins) schon wieder vorbei. Nach dem morgendlichen Kanonendonner musste in der Nacht nun plötzlich ein Krieg ausgebrochen sein. Es knallte und zischte und, obwohl unser Rollladen nur auf Lüften gestellt war, wurde das Schlafzimmer taghell erleuchtet. „Mhm, Feuerwerk…“ gähnte ich und quälte mich aus dem Bett, um durch die Rollladenritzen schmulend ein wenig zuzusehen. Ja, sie hatten sich nicht lumpen lassen! Es gab Feuerschweife, buntschillernde Explosionen – gelb, rot, blau, weiß, gold – Glitzerkugeln, die prasselnd in unzählige Sterne auseinander platzten, Lichterfluten, die sich bis hoch in den Himmel schraubten, ihn minutenlang ausfüllten und dann zusammenfielen, während Rauchschwaden über die Häuser zogen. Zufrieden fiel ich nach dem vermeintlich letzten Knall ins Bett zurück und hatte mich gerade wieder in mein Laken eingewickelt, als der ganze Spaß von Neuem losging. „Die spinnen doch!“ stöhnte ich und versuchte einen pochenden Kopfschmerz zu ignorieren. Luigi legte mitfühlend seine Hand auf mein Bein und murmelte etwas, das wie „ist bestimmt gleich vorbei“ klang. Das „Gleich“ dauerte dann aber noch einmal mindestens zehn Minuten. Und in einen ruhigen Schlaf fand ich die ganze Nacht nicht mehr. Statt dessen träumte ich von meinem toten Opa, der im zweiten Weltkrieg gedient hatte, und wachte eine Viertelstunde vor dem Weckerklingeln schweißgebadet auf.

Luftballons und was man sonst so braucht

Luftballons und was man sonst so braucht

Ich mach’s jetzt mal kurz, denn wen interessiert schon die Schlaflosigkeit anderer Leute: Montagabend um neun feuerwerkte es von uns aus gesehen hinter der Altstadt und Montagnacht, als ich nie im Leben mit einem weiteren Feuerwerk gerechnet hatte, musste jemandem noch eine vergessene Kiste mit Knallkörpern in die Hände gefallen sein. Jedenfalls gab es gegen eins noch einmal zwanzig Minuten Feuerwerk, bei dem mir aber schon gar nicht mehr nach Ironie oder Stöhnen sondern nur noch nach Mord zumute war. Doch auch das haben wir überstanden und nächstes Jahr Ende September bin ich bestimmt nicht zu Hause.

Eine dreitägige Feier ist einfach zwei Tage zu lang.

ps: Auch in dieser Woche gab es reichlich Feuerwerk – und zwar am Sonntag, Montag und gestern im Rahmen der Festwoche des Heiligen Franziskus, allerdings zu sympathischeren Zeiten: abends gegen acht oder neun Uhr. Das lob ich mir und schau auch gerne zu.