In den zurückliegenden Jahren hatte ich viele Reiseführer über Italien und auch über Apulien in der Hand, aber keiner hat mich so überzeugt, wie der Kunstreiseführer aus der Feder von Ekkehart Rotter. Auf fast 400 Seiten enthält er jede Menge auch historische Informationen, die mit einer großen Sach- und Ortskenntnis in einem eleganten Plauderton geschildert werden und den Leser dadurch nie ermüden. Er schildert das Land als am Rand Europas gelegen und damit zum Kampf um Beachtung gezwungen; als historischen gewachsener Prügelknabe, dem einfallende Eroberer immer wieder ihren Stempel aufdrückten und wo sich deshalb die verschiedensten Einflüsse mischten; ein Gebiet bis heute wirtschaftlich rückständig, landschaftlich einzigartig und touristisch noch vielfach unterschätzt.
Auf den ersten 100 Seiten nimmt Rotter den Leser mit in die wechselvolle Geschichte Apuliens unter den Griechen, Römern, Normannen, Staufern und den Bourbonen (um nur einige zu nennen). Sehr interessant ist auch seine Einführung in „Küche und Keller“ der Pugliesen und die Galerie bedeutender Persönlichkeiten. Im Anschluss an diese Einführung begleitet man den Autor in mehreren Kapiteln auf von ihm ausgewählten Reiserouten durch die einzelnen Landstriche Apuliens. Es mangelt weder an Insiderinformationen noch an Straßenkarten, Stadtplänen selbst von kleinen Städten, Grundrissen von Sehenswürdigkeiten und natürlich auch nicht an zauberhaften Fotos, die sowohl generelle Stimmungen als auch Details einfangen. Als buchstäbliche Randnotizen findet man Öffnungszeiten oder weiterführende Hinweise. Jedes große Kapitel wird mit einer Übersicht über Hotels und Restaurants unter dem Titel „Reisen und Genießen“ abgeschlossen.
Eine sehr gute Entscheidung war es auch, einen Abstecher nach Matera mit in den Reiseführer aufzunehmen, obwohl diese Stadt im Moment noch in Basilikata und nicht in Apulien liegt. Durch die aktuelle Gebietsreform könnte sich das zukünftig ändern. Seit 1993 ist die auf einem durch eine Talmulde und eine tiefe Schlucht begrenzten Hügel liegende Altstadt „Sassi die Matera“ Weltkulturerbe der Unesco. Zuletzt gelangte die Stadt im Jahr 2004 in die Schlagzeilen, als Mel Gibson dort große Teile der Außenaufnahmen für seinen Film „Die Passion Christi“ drehte. Man sollte sich also als Apulienreisender von den Provinzgrenzen nicht beeindrucken lassen und wie Rotter durchaus darüber hinwegsehen bzw. hinweg reisen.
Für alle, die nicht ein halbes Leben Zeit für die Entdeckung Apuliens zur Verfügung haben, sind gleich auf der ersten Seite die wichtigsten Orte mit einem Ranking und der Seitenangabe versehen. Ein Glossar über die kunstgeschichtlichen Begriffe, Reiseinformationen von A bis Z, ein Literaturverzeichnis und ein umfangreiches Register runden diesen absolut gelungenen Reiseführer ab. Mit seiner Hilfe kann an sich bereits vorher auf die Reise einstimmen, findet sich während der Reise überall schnell zurecht und legt ihn auch danach nicht so schnell aus der Hand. Daher ist der Preis von knapp 26 Euro voll gerechtfertigt, und man versteht auch, dass inzwischen bereits die 6. Auflage erschienen ist. Mit etwas Glück kann man eine ältere Ausgabe als verbilligtes „Mängelexemplar“ ergattern. Dann hat er vielleicht wie der meine zwei schwarze Striche auf dem unteren Schnitt, aber dafür nur 10 Euro gekostet.
Ah, schon beim Anblick des Covers schlägt das Geschichtslehrerherzchen höher. ❤
Wie ist das eigentlich bei dir; fühlst du dich inzwischen völlig heimisch oder eher noch als (wie nennt man das??) "Einwanderin"?
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Über diese Frage musste ich jetzt erstmal eine Weile nachdenken. Sie wurde nämlich durch die Tatsache erschwert, dass ich gerade für kurze Zeit in Deutschland war, um ein paar Wintersachen zu holen. Vor der Abreise aus Italien war ich traurig, hier wegzumüssen, und die Abreise aus Deutschland ist mir auch wieder schwer gefallen. Anzukommen hat sich in beiden Ländern gut angefühlt. Also kurz gesagt, im Moment fühle ich mich irgendwie „dazwischen“ – noch nicht richtig Italienerin, aber auch nicht mehr 100% deutsch. Ich denke, das Pendel wird noch weiter in Richtung Italien ausschlagen, wenn wir erstmal unsere Wohnung bezogen haben und, wenn ich einen Job gefunden haben werde, der mich noch etwas mehr ins soziale Leben integriert.
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Ja, das kann ich verstehen.
So, wie deine Posts manchmal klingen, scheinst du ja fürs „Ankommen“ gar nicht richtig Zeit zu finden bei all dem Behördengerenne usw.
Kannst du in Italien in deinem Beruf (weiter)arbeiten oder musst du dich komplett umorientieren?
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In Deutschland war ich Abteilungsleiterin in einer Firma im Bereich Medienbeobachtung. Auch ein Studium der Kulturwissenschaften ist nicht gerade etwas so Konkretes wie… sagen wir „Maurer“. Von daher ist es relativ sicher, dass ich mich umorientieren muss. Ich würde gern im Bereich Tourismus arbeiten (Rezeptionistin könnte ich mir als Einstieg gut vorstellen) oder generell dort, wo man Fremdsprachenkenntnisse gebrauchen kann. Ich spreche sehr gut Englisch und habe auch fortgeschrittene Russischkenntnisse. Aber mir ist schon klar, dass alles davon abhängt, dass ich fließend Italienisch sprechen kann. Deshalb arbeite ich daran im Moment am intensivsten.
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