Heiliger Radsport! – Festa di San Nicola – 9. Mai

Volksfest im Schatten der Stadtmauer 

IMG_20130510_203710Der Stadtheilige San Nicola wurde am Abend des achten Mais von seinem Ausflug aufs Meer wieder an Land gebracht und hatte seinen Ehrenplatz in der mit Lichterbögen nachgestalteten Basilika auf der Piazza Ferrarese eingenommen. Damit neigten sich die kirchlichen Feierlichkeiten dem Ende zu. Aber, weil man sich an den letzten zwei Tagen so schön eingefeiert hatte, hängte die Stadt einfach noch ein großes Volksfest hintendran. Die Brötchen-, Grill- und anderen Verpflegungsstände vor der ersten Festungsmauer an der Seepromenade teilten sich die Straße mit Devotionalienständen und buntem Marktreiben. Am Tage nutzten vor allem Touristen die Gelegenheit, sich mit den Angeboten einzudecken, während sie auf dem Weg zur Basilika oder allgemein in die Altstadt waren. Sobald es dunkel wurde, waren die bancarella sul Lungomare di BariNachtschwärmer wieder unterwegs. Freunde trafen sich an markanten Ecken auf ein Schwätzchen. Man aß fritierte Polenta (Sgaliozze) oder kleine Pizzateigscheiben (Popizze), die sich während des Frittierens aufblähen und rundlich werden. Junge Familien übten sich in der Meisterschaft des Kinderwagenschiebens an Stellen, an denen eigentlich kein Durchkommen war, und zu den lateinamerikanischen Stimmungsrhythmen der Hightech-Brötchenverkaufsstände, wurde schon mal spontan auf der Straße getanzt.

Auf der Spur des „Giro d’Italia“

IMG_20130510_203510In diesem Jahr führte außerdem die sechste Etappe des dreiwöchigen Radrennens „Giro d’Italia“ just am Feiertag der Baresen von Mola nach Margherita di Savoia durch Bari. Ich bin zwar bekennender Sportmuffel und habe mir in meinem Leben bisher nur ein einziges sportliches Ereignis angesehen, aber wenn die Jungs schon durch Bari strampelten, dann wollte ich die Chance nutzen und die Atmosphäre eines solchen Großevents spüren. Dass meine Geduld mal wieder auf eine Harte Probe gestellt werden würde, war mir schon vorher klar, denn ich hatte in der hier am weitesten verbreiteten Tageszeigung „Gazetta del Mezzogiorno“ gelesen, dass die Radprofis zwischen 12:30 Uhr und 15:00 Uhr die Seepromenade passieren würden. Praktisch musste man sich also darauf einstellen, den halben Nachmittag an der Strecke zu verwarten.

Schon als ich mich gegen 12:30 Uhr dem „Lungomare“ näherte, stellte ich fest, dass die doppelspurige Straße noch stark befahren war. Immer wieder war auch einer der IMG_20130510_203304Transporter darunter, aus denen die Artikel für die Fans des Giro d’Italia verkauft wurden. Wie das „rosa Trikot“, welches sich der Gewinner am Ende der knapp 3500 km langen Tour, überstreifen dürfen wird, waren auch die T-Shirts, Basecaps, Kopfbinden und anderen Fanartikel in rosa gehalten. Komischerweise, scheint das italienischen Männern aber nichts auszumachen. Sie tragen rosa genauso gewissenlos wie lila.

Zu freundlich

IMG_20130510_203410Ich schlenderte also gemütlich in Richtung Innenstadt. Neben der Kommandozentrale der Luftwaffe, waren noch immer die Drohne und das Flugzeug der „Frecce Tricolori“ ausgestellt, die am späten Nachmittag des Vortags eine Vorführung in Flugakrobatik gegeben hatten. Vermutlich schaute ich sehr interessiert drein, denn ein freundlicher Militär fragte mich zweimal, ob er ein Foto von mir und dem Flugzeug schießen solle. Beim ersten Mal überlegte ich noch, ob auch Militärs unter Marias Anweisung fielen, niemandem den Fotoapparat zu geben, weil die Person sonst damit wegrennen würde. Die Wiederholung der Frage klang dann aber so auffordernd, dass ich nicht zu widersprechen wagte und statt dessen versuchte, nicht zu eingeschüchtert in die Kamera zu gucken. Anschließend bedankte ich mich artig und flüchtete schnell, denn neben der Flugzeugpräsentation war am Abend zuvor der Stand für die Einschreibung in die Fremdenlegion aufgebaut gewesen. Man kann ja nie wissen. . .

Männer!

Als ich endlich eine freie Bank unter einem Baum gefunden und Zeit hatte, mich in Ruhe umzusehen, bemerkte ich, dass sich die Menschenmenge inzwischen verdichtet hatte. Auf der Seeseite der Straße hatten sich ein paar ganz Fröhliche auf Holzklappstühlen niedergelassen und holten sich eine Bierflasche nach der anderen vom Brötchenverkauf, in dem das Personal eigentlich noch den Schmutz der letzten Nacht beseitigte. Ihre T-Shirts hatten sich die Männer um die Köpfe gewunden, damit ihre bleichen Bäuche in der Sonne passend zum Giro eine leichtrosa Farbe annehmen gekonnt hatten. Als jedoch einer von ihnen einen Laternenpfahl erklimmen wollte, hielt eines der zahlreichen Polizeimotorräder neben ihnen, was bereits genügte, um sie sich alle wieder auf ihre Klappstühle setzen zu lassen.

Während ich noch darüber lachte, trat ein älterer Herr auf meine Bank zu und fragte, ob er Platz nehmen dürfe. Wie die meisten Italiener in deutlich fortgeschrittenem Alter gehörte er zu der Generation, die sich in der Öffentlichkeit immer in Hemd und Krawatte zeigen und sicherlich niemals ihre nackten Bäuche in die Stadtsonne halten würden. Die italienischen Senioren lassen Frauen den Vortritt beim Ein- oder Aussteigen. Sie halten einem Türen auf, grüßen mit dem Zusatz „signora“ (Frau) oder „signorina“ (Fräulein) und fragen eben, ob sie sich zu einem setzen dürfen. Alles in allem ein sehr angenehmer Menschenschlag. Doch als unserem kleinen Schwätzchen über das schöne Wetter plötzlich die Frage folgte, ob ich verheiratet sei, antwortete ich schnell mit „nein, aber verlobt“ und musste dann ganz dringend zur Straße sprinten, um nachzusehen, ob die Radfahrer schon kämen. Meinem hastigen „Arrivederci“ rief er ein lautes „Buona giornata, signorina!“ hinterher.

Ja, wo fahren sie denn?

Es ging auf zwei Uhr zu und entlang der Straße standen die Schaulustigen nun Schulter an Schulter. „Machen Sie die Straße frei. Es folgen die Teilnehmer des Giro d’Italia! Machen Sie die Straße frei. Es folgen die Teilnehmer des Giro d’Italia!“ tönte es endlich aus einem vorbeifahrenden Auto. Entgegen der Anweisung sprangen plötzlich alle Wartenden auf die Fahrbahn, um den Ankommenden einen Blick entgegenzuwerfen. Aber es kam niemand. Jedenfalls kein Sportler. Nur eine junge Frau, die mit ihren Einkäufen am Lenkrad wie eine Verrückte das Lungomare entlangstrampelte. Sie wurde von den Wartenden beklatscht und laut angefeuert.

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Schließlich fuhren Begleitautos in immer dichter werden Abständen vorbei. Die Menge auf der Straße vor mir wich gen Bordstein zurück und dann folgten einem Auto auch zwei Radfahrer des Giro d’Italia, die sich offensichtlich einsam an die Spitze abgesetzt hatten. Einer von ihnen war vielleicht der englische Etappensieger Marc Cavendish. Nach ein paar Minuten kam dann eine große bunte Wolke aus weiteren Radfahrern auf uns zu, offensichtlich das Mittelfeld der Hoffnungsvollen.

IMG_20130510_203054Ich sprang vor, um ein Foto zu machen und schnell zurück auf den sicheren Fußweg, denn nun folgten wieder Autos über Autos mit zahlreichen Fahrrädern auf ihren Dächern und sicher ging es noch eine ganze Weile so weiter. Doch da ich glaubte, mit diesen Eindrücken von rasenden Nachuntenguckern heroisch genug meine Reporterpflicht

IMG_20130510_204727erfüllt zu haben, war mein temporäres Interesse an Sport auch schon dem Gedanken an die Auswahl einer der drei Eisdielen in unmittelbarer Nähe gewichen. Immerhin hieß dieser Tag „La Festa dei Baresi“ und mit einem leckeren Eis könnte ich jeden Tag irgendetwas feiern.

5 Gedanken zu „Heiliger Radsport! – Festa di San Nicola – 9. Mai

  1. frauhilde

    *feierlich guck* Danke, dass du so heldinnenhaft deinen Reporterpflichten nachgekommen bist. *Kranz überreich* Wir werden dir das nie vergessen! 😉
    Kriegt man von den Fahrern überhaupt was mit, wenn die da so schnell vorbeirasen?

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  2. Corinna Autor

    Danke für den Kranz! Der bekommt einen Ehrenplatz auf meinem noch überschaubar vollem Ehrenpreisregal. 😉

    Aber in der Tat ist Deine Frage berechtigt. Hätte ich sie nicht fotografiert, wäre der ganze Spaß innerhalb weniger Minuten vorbei und vergessen gewesen. Dann würde ich mich jetzt nur noch an die laaange Warterei erinnern.

    Hey, aber am kommenden WE ist Rennwagen-Oldtimer-Rennen. Ich schätze, die werden noch schneller sein. Ich fühl‘ mich schon bei dem Gedanken ans Zugucken ganz sportlich.

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