Kopfschütteln I – Homoehe oder der Untergang des Abendlandes

Zwei in der italienischen Öffentlichkeit stark debattierte Themen haben bei mir in der letzten Zeit Kopfschütteln ausgelöst. Das erste war die wochenlange Diskussion um ein Gesetzt zur Gleichstellung der traditionellen Familie mit Familien aus gleichgeschlechtlichen Paaren. Da ging es zum Beispiel darum, ob gleichgeschlechtliche Paare eine „Ehe“ eingehen und die Kinder ihrer Lebensgefährten/innen adoptieren dürfen. Was in den meisten europäischen Ländern und sogar erzkatholischen Gesellschaften wie in Irland heute kein Problem mehr ist, wurde und wird in Italien diskutiert, als würde man gerade das Rad erfinden. Dabei sind meine sonst so gutmütigen Italiener bockbeinig wie Ziegen.

Mutter-Vater-Kind vs. Zeitgemäße Familienkonzepte

Der 30.01. wurde zum „Tag der Familie“ ausgerufen. Doch statt darüber zu reflektieren, dass das traditionelle Familienkonzept von „Vater-Mutter-Kind“ durch Scheidungen etc. heute schon vielfach bei heterosexuellen Paaren nicht mehr aufgeht, und zu überlegen, WIE ein Gesetz zur Gleichstellung von Homoehen aussehen könnte, wurde dagegen protestiert. Den Äußerungen nach, die hinterher in den Fernsehnachrichten und sozialen Netzwerken kursierten, hat jeder Traditionalist mindestens einen schwulen Freund, den er sehr mag, aber dem er dennoch kein Leben in familiären Strukturen gönnt. Zahlreiche Protestierende hielten Homosexualität für eine temporäre Verirrung, wenn nicht gar eine Krankheit, die man mit gutem Beispiel und vielleicht sogar Medikamenten wieder in den Griff bekommen kann. Da fragt man sich, ob sich Italien tatsächlich in Europa oder vielleicht doch auf einer einsamen Insel oder gar einem anderen Planeten befindet. Ich kann gerade noch verstehen, wenn mich Maria, die bereits auf die 80 zugeht, jetzt häufiger in Diskussionen über Homosexualität und die Fähigkeit von Männern, Kinder großzuziehen, verwickelt. Aber, dass auch junge Menschen so ablehnend sein könnten, hätte ich nicht gedacht.

Alle in anderen Ländern (z.B. in den Vereinigten Staaten) bisher gemachten Erfahrungen (siehe Wikipedia), nach denen Kinder in gleichgeschlechtlichen, bisexuellen oder Transgender-Partnerschaften weder zwingend homosexuell noch in ihrer geistigen Entwicklung gestört werden, werden ignoriert. Wenn also das Kindeswohl nicht gefährdet wird, sondern Kinder in einer liebevollen Partnerschaft, in der sie geliebt und gefördert werden, in der sie frei und glücklich sein können, aufwachsen, warum sollte man dagegen sein? Ich frage mich, wovor haben die Gegner dieses Gesetzes denn wirklich Angst? Was geht es sie an, was ihre Nachbarn oder (fraglichen) Freunde hinter ihren Schlafzimmertüren machen? Ja, eigentlich hege ich Zweifel an der menschlich-moralischen Reife der Gegner und nicht an der von gleichgeschlechtlichen Paaren, die ihre Zusammengehörigkeit und die damit einhergehende Verantwortung vor der Welt und dem Gesetz demonstrieren wollen.

Zivilunion – ja / Adoption – nein

Immerhin hat der italienische Senat im Februar abgestimmt und eine Zivilunion genehmigt. Leibliche Kinder des einen Partners/ der einen Partnerin dürfen aber weiterhin nicht von dem Lebenspartner oder der Lebenspartnerin adoptiert und somit rechtlich abgesichert werden. Statt dessen herrscht eine diffuse Angst davor, dass alle homosexuellen Paare sich sofort im In- oder Ausland Kinder beschaffen könnten und die traditionelle Familie aus Mutter, Vater und Kind damit schon so gut wie abgeschafft sei. Gelöst hat man das Dilemma der Diskriminierung homosexueller Staatsbürger damit, dass man Adoptionswünsche zur Einzelfallentscheidung an die Gerichte übergibt.

Niki Vendola – Vorzeigehomosexueller und Stachel im italienischen Fleisch

Doch damit war die Diskussion nicht beendet, denn Baris schwuler Ex-Bürgermeister und inzwischen apulischer Präsident Nicola „Niki“ Vendola hat mit seinem Lebensgefährten eine Leihmutter in den USA gefunden und mit dem Bekanntwerden der zukünftigen Elternschaft einen erneuten Sturm der Entrüstung ausgelöst, bei dem Adoptionsgegner ihre Homophobie jetzt gut hinter der Leihmutterfrage verstecken können.

Man darf daher gespannt sein, wie liberal Italien in der nächsten Zeit noch werden muss und ob Kinder nur Homosexuellen mit entsprechenden finanziellen Mitteln vorbehalten bleiben werden.

Über das zweite Kopfschüttelthema muss ich beim nächsten Mal schreiben, denn vor lauter Schütteln ist mir schon ganz schwindelig.

14 Gedanken zu „Kopfschütteln I – Homoehe oder der Untergang des Abendlandes

  1. wingsmakemefly

    Genau die selben Gedanken hatte ich auch. Als der große Family Day am Circo Massimo war, halb Italien mit Bussen angekarrt wurde und ich den Römer fragte, um was es denn überhaupt ginge und er es mir erklärte, konnte ich nur den Kopf schütteln. „Und darüber diskutiert ihr jetzt?“ fragte ich dann. Wie man so verbohrt und ablehnend wie viele Italiener sein kann, frage ich mich auch….

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    1. Corinna Autor

      Ich könnte mir vorstellen, dass solche Sachen nur von den gravierenderen Problemen ablenken sollen. Gib dem Volk ein bisschen was zu meckern und dann sind sie wieder eine Weile ruhig.

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  2. kinder unlimited

    Ich denke, da ist der Vatikan mit dran Schuld……ich bin auch fuer die Homo Ehe und Kinder , aber man muss fairerweise zugeben, dass es auch Studien gibt, die zeigen, dass nicht alle Kinder problemlos damit aufwachsen!

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      1. kinder unlimited

        es fehtl aber oft auch das Vater bzw. Muttervorbild…….ich denke, es ist schwierig, aber machbar!!!

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        1. La Giù~Lia

          dann muss mn aber auch so konsequent sein und sagen bei alleinerziehenden, wenn z.b. ein partner verstorben ist, können die kinder wegen mangelndem vorbild nicht problemlos aufwachsen. ich denke, solange kinder z.b. im kindergarten immer noch mitkriegen, dass ihre eltern „nicht normal“ sind, weil heteropaare das den kindergartenfreunden zuhause eben so erzählen, solange können kinder von gleichgeschlechtlichen paaren tatsächlich nicht problemlos aufwachsen. das hat aber nichts mit fehlenden rollenvorbildern zu tun. 1. verschieben die sich sowieso längst und 2. sind auch in der nachkriegszeit unzählige kinder ohne vatervorbild aufgewachsen. ohne nen schaden davon zu tragen.

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          1. Corinna Autor

            Weibliche Rollenvorbilder finden die Kinder im Kindergarten und in der Schule. Diese Berufe sind ja typischerweise von Frauen besetzt. Beim weiteren Nachdenken muss ich auch sagen, dass sowohl männliche als auch andere Vorbilder in der Familie gefunden werden können. Es ist ja nicht so, dass ein Homopaar keine weitere Familie hat als nur sich selbst. Da gibt’s doch dann auch Großeltern, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen…

            Den Hinweis auf die Nachkriegszeit finde ich sehr interessant.

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  3. Gitti

    Es ist für die Menschen nur das gut, was allgemein gehalten bleibt. Bei konkreten Fragen versteckt sich der liebe Mitbürger oder schließt sich den Krakelern an. So ist nie schlüssig, was gerade Trend ist oder was allgemein menschlich ist. Jeder nach seiner Fasson solange keiner belästigt wird, ist meine Meinung dazu. Die Gretchenfrage löst sich jeder für sich.

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  4. Elena

    Danke für Deine klaren und offenen Worte!
    Ich kann „die Italiener“, v.a. die jungen, in diesen Punkten auch ganz und gar nicht verstehen.
    Wir können/sollten allerdings doch auf ein baldiges Umdenken hoffen. (Bin stets Optimistin)

    Viele Grüße
    Elena

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  5. BOWMORE Darkest

    Alle Veränderungen brauchen Zeit. Was vor „wenigen“ Jahren noch unter Strafe verboten war, kann nicht von heute auf morgen „normal“ sein. Die Gesellschaft als Ganzes muss sich daran erst gewöhnen. Die Geschwindigkeit der Veränderung ist von Staat zu Staat verschieden. In einigen Jahrzehnten werden die Hemmschwellen vielleicht überwunden sein.

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