Mutterschaft vs. Politisches Amt
Neben der Homoehe und der Diskussion um die Adoption der Kinder von gleichgeschlechtlichen Partnern hat auch das zweite Thema, das bei mir immer noch für Kopfschütteln sorgt, im weitesten Sinne etwas mit Familie zu tun. Offensichtlich ist die Emanzipation bei manchen Italienern noch nicht bis ins Bewusstsein vorgedrungen. Da kandiert die schwangere Politikerin Giorgia Meloni für das Bürgermeisteramt in Rom und bekommt prompt öffentlich von ihren Kollegen geraten, doch lieber mit dem künftigen Kind zu Hause zu bleiben, statt sich der katastrophalen Lage des bereits seit Oktober 2015 führungslosen Roms anzunehmen.
Mal ganz davon abgesehen, dass für jede Frau die Entscheidung für oder gegen Mutterschaft eine ganz persönliche Entscheidung sein sollte, in die ihr niemand hineinzureden hat, gibt es in Italien ohnehin nur eine recht kurze Mutterschutzzeit und die Bürgermeisterin von Rom hätte sicher auch noch andere Möglichkeiten der Vereinbarung von Mutterschaft und Beruf über die normalen Betreuungsmöglichkeiten für kleine Kinder hinaus. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Mütter die besseren Politiker sind, mindestens was soziale und ökologische Entwicklungen betrifft. Eine Mutter würde bestimmt nicht wollen, dass ihr Kind am Tiberufer im Müll watet oder in eine Schule geht, in welcher der Putz von den muffigen Wänden fällt – ein verantwortungsvoller Vater sicher auch nicht, aber es ist eben kaum zu erklären, warum so merkwürdige männliche Persönlichkeiten in Italien Politik machen, wie sie zu ihrem Amt gekommen sind und warum hier so gar nichts vorwärts zu gehen scheint.
Für Politik nicht schön genug
Kann man(n) sich im Fall Meloni noch mit gespielter Fürsorge herausreden, geht es bei der Kandidatin für das Bürgermeisteramt in Mailand Patrizia Bedori darum, dass man sie für nicht schön genug für die Politik hält. Nachdem sie von mehreren Seiten als „hässlich und fett“ beschimpft wurde, hat sie beschlossen, sich dem medialen Stress nicht länger auszusetzen, und ihre Kandidatur zurückgezogen.
Abgesehen davon, dass „schön“ oder „hässlich“ doch sehr individuelle Einschätzungen sind und lange nicht von allen geteilt werden müssen, ist es schade, dass es in Italien nicht wichtig ist, wer einen Posten am besten ausfüllt, sondern wer ein gefälliges Gesicht und am besten keinen Uterus hat. Frau Merkel hätte es hier aus diesen Gründen und wegen ihrer Kleidung höchstens in die Lokalpolitik geschafft.
…in einem Land, in dem Gespielinnen bekannter Politiker Ministerämter besetzen, wundert mich in Sachen Politik so ziemlich gar nichts mehr… 😦
Hinsichtlich des Aussehens ist es leider auch nichts Neues. Frauen werden – egal wo – immer noch eher nach „ansprechendem Äußeren“ beurteilt, als nach tatsächlichen Fähigkeiten. Ich weiß, dass das kein echter Trost (eher wahrscheinlich das Gegenteil) ist, aber da reihen sich die administrativen Riegen Italiens in eine laaaange Schlange ein.
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Ja, leider hast du recht. Aber in vielen Ländern haben Frauen einfach mehr Chancen als in Italien.
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Das in jedem Fall. Das zeichnete sich schon ab, als ich mit meinem Ex damals in Termoli unterwegs war und die Leute ihn statt mich zu mir befragt haben. Für mich verwunderlich, für ihn ein Zeichen von süditalienischer Höflichkeit. Das dann noch auf die Arbeitswelt expotenziert ergibt ohne Zweifel das von Dir geschilderte Problem.
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Was Du beschreibst ist aber auch Italien, so wie es ist. In diesen Kategorien zu denken und handeln, ist in Italien nicht unbedingt etwas Neues. Und gewisse Entwicklungen sind in Italien noch langsamer voran geschritten als in Deutschland.
Dass Mütter nun die besseren Politiker wären, wage in Zweifel zu ziehen.
Ein Vater – egal welcher Nationalität – wird sich genauso wenig dafür begeistern können, dass sein Kind im Müll des Tiberufers herum läuft oder dort spielt, in Schulen geht, wo der Putz von der Wand fällt, usw. usf.. Da sehe ich keinerlei Unterschied der Geschlechter.
Nun ja, und die weiblichen Mafiabosse in Italien sind noch härter als ihre männlichen Kollegen…
Soviel zu den Geschlechterunterschieden….
Politik und Mafiastrukturen sind in Italien nach wie vor eng verbandelt. Da hat sich nicht viel aufgelöst. Und in die Politik zu gehen, erfordert gewisse Persönlichkeitsstrukturen, verbunden mit den entsprechenden Kontakten. In Italien mußt Du hier jemanden kennen, da jemanden kennen, wenn Du im großen „Spiel“ etwas erreichen willst. Eine Hand wäscht die andere. Gefallen verpflichten, und ohne Gefallen und die entsprechenden Kontakte geht wenig bis nichts, ab einem gewissen Punkt in der Karriere.
Der italienische Kampf um Gleichberechtigung, ja das ist so ein Ding für sich. Die italienischen Geschäftsfrauen die ich kennen, die haben Stahlkappen an den Ellbogen, müssen viel härter sein, als ihre männlichen Kollegen. Italien ist diesbezüglich eine echte Hardcorenummer.
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Danke für Deinen ausführlichen und interessanten Kommentar. Ich möchte nicht behaupten, dass Frauen generell die besseren Politikerinnen sind. Um das zu belegen oder zu widerlegen, gibt es viel zu wenige. Aber wie oben schon geschrieben, könnte ich mir vorstellen, dass sie vor allem als Mütter andere Prioritäten setzen würden. Väter in der Politik gibt es reichlich in Italien und die Zustände sind wie beschrieben. Mafiöse Strukturen sind meines Verständnisses nach auch patriarchalisch.
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Das ist ja unglaublich…. uebrigens toll, dass du das hier teilst. Ich wuesste sonst gar nicht, was in Italien los ist. Nie wuerde ein Mann vor solche Problems gestellt werden….verrueckt!!!!! Aber in der Politik kaempft man wohl ueberall mit harten Bandagen!!!!
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Ja, der Kampf um die Gleichberechtigung (ja nicht nur von Mann und Frau) scheint überall noch hart gekämpft werden zu müssen. Die Aspekte, die Du beschreibst, sind schon echt haarig. Kann man kaum glauben, wenn man in Deutschland lebt. Mal schauen, wann die erste Meinung kommt, dass es uns Frauen in Deutschland doch soo gut geht. Wir sollten nur mal nach Italien schauen. Aber das müssen wir ja nicht mit uns machen lassen.
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Ich glaube auch in Deutschland ist das Thema Gleichberechtigung nicht mehr so , wie du dir das aus deiner Erfahrung und in deiner Einstellung denkst. Da gibt es große Unterschiede in alte und neue Bundesländer auch zu dem Thema .Es wird daran gearbeitet, dass die Frauen Ihren Kampf freiwillig aufgeben und Heimchen am Herd und Übermütter in ihren Familien werden. Alles unter der Regie und für den jeweiligen Mann der Familie.( betrifft auch Söhne) Ein wenig soziale Arbeit wird den Frauen zugetraut , aber nur in untergeordneten Funktionen.
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„Heimchen am Herd“ für die, die es will. Soll’s ja geben. 🙂
Da müssen aber die zugehörigen Männer ordentlich verdienen. Das „Heimchen“ verbietet sich daher eigentlich in den meisten Familien schon von selbst.
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da bleibt echt nur Kopf schütteln, schönes Wochenende
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