Archiv für den Monat Januar 2019

… und wiedergefunden

(Wie unsere Katze Gina verschwand, ist hier nachzulesen.)

Zwei Monate war unsere Katze Gina aus unserer Terrassenwohnung im dritten Stock verschwunden. Im Grunde glaubte wir nicht mehr daran, sie jemals wiederzusehen. Doch irgendwie hatte sich ein kleiner Hoffnungsfunke erhalten.

Gina am zweiten Tag: abgemagert, verletzt und dehydriert; doch am Leben.

Und dann kam dieser verrückte Abend Ende September. Eine Freundin war zu Besuch und wir kamen, uns laut auf Deutsch unterhaltend, vom Kinderspielplatz zurück. In unsere Straße einbiegend hörten wir plötzlich in einem verlassenen Aufgang eines alten Hauses eine Katze miauen; jämmerlich miauen und an der uralten Holztür kratzen. Mein Herz für geschundene Kreaturen ließ mich zunächst gar nicht an unsere Katze denken, doch ich versuchte sofort die Tür einen so großen Spalt weit zu öffnen, dass die Katze entkommen konnte. Natürlich gelang es mir nicht, aber die Tür ließ sich immerhin so weit öffnen, dass ich deutlich das grau-getigerte Fell und die deformierte Pfote unsere Katze erkennen konnte. „Gina! Da ist unsere Gina drin!“, entfuhr es mir ungläubig. Ich strengte mich noch mehr an, den Türspalt zu vergrößern, aber es brachte nichts.

Meine Freundin blieb daher mit Davide zurück und ich versuchte bei den Mechanikern in unserer Autowerkstatt Hilfe zu holen. Leider half auch ein Brecheisen nicht, den Spalt genügend zu vergrößern. Während wir an der Tür herumwuchteten und die Katze immer schriller schrie, kam eine kleine Gruppe von Passanten vorbei, die wissen wollten, was wir dort trieben. … und dann ging alles so schnell, dass ich mir nicht einmal die Gesichter der Leute merken konnte. Auch wann unser Mechaniker aus dem Geschehen verschwunden war, kann ich nicht mehr rekapitulieren.

Jedenfalls nahm letztendlich ein Herr seine Umhängetasche ab und gab sie einer Frau. Dann warf er sich dreimal mit der Schulter gegen die Tür, die beim dritten Mal aufsprang. Die Katze schoss heraus. Ich stürzte mich auf sie, um sie einzufangen, und hörte noch, wie der Mann sagte: „Mehr hätte die Feuerwehr auch nicht getan.“ Und plötzlich waren die Leute weg. Ich hingegen stand mit einem Fell besetzten Knochengerippe und einem hysterisch jauchzenden Kind auf dem Bürgersteig. Unendlich erleichtert und unendlich besorgt zugleich.

Vom Knochengerippe zur Katze

Gina Ende Oktober: Die Nase ist verheilt. An Gewicht hat das Tier zugelegt, aber ist misstrauisch geblieben.

Von Nachbar N. erfuhr Luigi, welcher die Nachricht von unserer nach zwei Monaten wiedergefundenen Gina sofort weiterverbreitete, dass eine Katze schon seit mindestens drei Tagen hinter der schweren Holztür miaut hatte. (Lassen wir mal dahingestellt, was diese Information über das Mitgefühl unseres Nachbarn aussagt.) Die erste Nacht verbrachte Gina hauptsächlich mit Saufen und Herumliegen. Nachdem sie uns die erste Portion Futter auf den Teppich gekotzt hatte, gaben wir ihr zwei Tage lang stündlich nur wenige Krümel Katzenfutter auf einmal. Der Tierarzt bestätigte uns am nächsten Tag, dass Gina stark dehydriert sei und riet uns außerdem auf ein hochwertiges Katzenfutter umzusteigen. Später müsse man sehen, ob vielleicht die Nieren geschädigt seien.

Es dauerte mehrere Wochen, bis die Katze wieder wie eine Katze und nicht wie ein Knochengerippe aussah. Ihre sicherlich beim Ausbruchsversuch aus dem Haus aufgeschrammte Nase, ist verheilt. Das Fell ist jedoch an einem Punkt bis heute nicht nachgewachsen. Wegen der Nieren haben wir noch nichts unternommen, aber sie säuft nach wie vor viel Wasser.

Wenn ich so darüber nachdenke, kann ich es immer noch nicht fassen, dass wir unsere mäklige, konkurrenzunerfahrene Katze nach zwei Monaten doch noch lebend wiedergefunden haben. Inzwischen ist sie – bis auf den felllosen Fleck auf der Nase – wieder ganz die Alte. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass sie die Nachbarterrassen meide und sicher nicht den gleichen Fehler noch einmal machen würde. Aber das kann ich nicht. Doch wenn uns die ganze Geschichte eins gelehrt hat, dann ist es das: Vertrauen zu haben – in die Fähigkeiten unserer Katze und in die eigene Intuition.