Ich bin schon immer dafür gewesen, einfach zu schweigen, wenn man nichts zu sagen hat. Nun ist es nicht wirklich so, dass ich 4 Monate nichts zu sagen gehabt hätte, aber wirklich Erquickliches gab es eher nicht zu teilen. Nachdem nun jedoch von mehreren Stellen Proteste gekommen sind und der Blog tatsächlich den Eindruck macht, wie toter Fisch auf dem Grill, möchte ich die letzten Monate einfach mal Revue passieren lassen.
Covid 19 diktiert auch 2021 unser Leben in Süditalien. Von vor Weihnachten bis Ende Januar waren die Kitas und Grundschulen geschlossen. Zwei Wochen nach der Wiedereröffnung brachte Davide Corona nach Hause und wir mussten uns trotz Symptomlosigkeit 6 Wochen zu Hause einsperren (in Quarantäne bleiben). In der ersten Woche ohne Symptome war ich überzeugt davon, das mein Schnelltest falsch positiv gewesen sein musste, weil Luigi und alle meine Kollegen, die mit mir zusammengearbeitet hatten, negativ getestet wurden. Dann wurde auch Davide positiv getestet und mein zweiter Test war wieder positiv. Daher bekam ich als chronischer Astmatiker nun leichte Panik, die in Hilflosigkeit überging, weil man ja praktisch nichts machen kann außer Symptome kurrieren, die Davide und ich nicht hatten. Nur Luigi , der zweimal negativ getestet wurde, saß unter der Mummeldecke auf dem Sofa und hustete.



Ich kochte also ständig Salbeitee mit Honig, den ich im Onlinehandel bestellte, schickte die Oma in die Apotheke, wo sie uns Vitaminpräperate besorgte, und den Nachbarsjungen zu Pino, sodass der uns jede Menge Obst und Gemüse vor die Tür stellte. Nach 4 Wochen hatten ich auf der Terrasse alles umgetopft, was umzutopfen war, jede Menge neue Pflanzen eingepflanzt (Kirschbäume, Apfelbäume, Kletterrosen, Lavendel), die ebenfalls aus dem Onlinehandel gekommen waren, mehrmals die komplette Wohnung geputzt, konnte „Mama, komm spielen!“ nicht mehr hören, ohne aggressiv zu werden, machte nur noch unvorbereiteten Unterricht mit Unterbrechungen, weil Davide mir ununterbrochen auf der Pelle hing, und nahm keine Anrufe von mitfühlenden Kolleginnen mehr an, weil ich mich zum Heulen deprimiert fühlte, obwohl der Verstand strikt sagte, ich solle mich glücklich schätzen, mit meiner Familie so glimpflich davonzukommen.
Nach vier Wochen war Davide wieder negativ und Luigi wie oben schon geschrieben zum zweiten Mal negativ getestet worden. Daher versuchte ich meine Ärztin davon zu überzeugen, einen Virenlast-Test für mich zu beantragen, um zu sehen, ob meine Quarantäne trotz Positivität beendet werden könne. Vergeblich. Sie gab erst vor, von dieser ministerlichen Anordnung nichts zu wissen. Als ich ihr den Link zur entsprechenden Seite des Gesundheitsministeriums schickte, auf dem ganz klar stand, dass Personen, die drei Wochen lang ohne Symptome seien, ihre Quarantäne beenden könnten, wenn die Virenlast unter einem bestimmten Wert liege, meinte sie, sie wissen nicht, wie man das beantrage. Während ich also telefonisch beim Gesundheitsamt nachfragte, was man machen müsse, und dann wieder mit meiner Ärztin über WhatsApp oder am Telefon kommunizierte und deren ununterbrochenes Mantra „Aber du bist positiv. Du bist positiv.“ statt der Bereitschaft sich endlich mal zu engagieren hörte, schwankte ich wieder zwischen Aggression und Depression und der großen Angst, die 89(!!!) Tage Quarantäne der Schwester einer Arbeitskollegin am Ende noch zu überbieten. Wohl gesagt, muss in Italien die gesamte Familie so lange in Quarantäne bleiben, bis auch das letzte Familienmitglied wieder negativ ist.
Was die nur jammert! – wird jetzt mancher denken. Soll sie doch froh sein, dass sie und ihre Familie noch leben und niemand einen bleibenden Schaden davon getragen hat. Ganz genau. Aber auch das schönste Heim ist, wenn man nicht kommen und gehen darf, wie man will, eben nur ein Gefängnis. Und wenn man voll leistungsfähig, voller Datendrang und voller Energie ist, gehen einem Abwarten und Salbeitee trinken plus unselbständige Mitbewohner nur noch auf die Nerven. Irgendwann kommt noch Schlaflosigkeit hinzu. Rastlosigkeit und dann wieder totale Schlappheit und komplettes Desinteresse. Wenn ich nicht unterrichten hätte können und müssen… vielleicht hätte ich auch aufgehört mich zu duschen und wenigstens obenrum etwas Ordentliches anzuziehen.
Nun, ja… am 13. März wurden wir wieder freigelassen. Und heute kommen mir die 6 Wochen nur noch wie ein schlechter Traum vor, von dem ich wirklich hoffe, dass er sich nicht wiederholt!
Ironisches Nachspiel: Leider konnte ich Ende März nicht zusammen mit meinen Kollegen geimpft werden. Darauf muss ich jetzt mindestens 3 bis 6 Monate warten, weil man davon ausgeht, dass positiv getestete Personen Antikörper besitzen.
Noch ironischer: In den 6 Wochen unserer Quarantäne war Apulien „gelbe Zone“, d.h. alles war wieder geöffnet und man durfte sich uneingeschränkt überall hinbewegen. Zwei Tage nach unserer Feilassung, sprang der Farbcode in Apulien wieder auf rot. Welche Überraschung! Wir fuhren schnell an den Strand bei Ostuni und machten eine Strandwanderung mit Kipper.
Dann also wieder rot – Kitas und Grundschulen wieder geschlossen. Davide fand das toll. Er hatte nicht vor, jemals wieder dorthin zu gehen. Wir zögerten ebenfalls und ließen ihn nach der Öffnung nach Ostern noch zwei weitere Wochen zu Hause. Doch dann mussten wir uns eingestehen, dass unser fröhliches, aufgeschlossenes Kind ein assoziales, egoistisches Muttersöhnchen geworden war und dringend wieder andere Kinder um sich brauchte. Wunderbarerweise hatten wir nach nur einer Woche Kita unser ursprüngliches Kind zurück und sonnten uns in den Lobeshymnen der Kindergärtnerinnen.
Ich muss jetzt am Vormittag das Radio laufen lassen, wenn ich zu Hause bin, weil mich die ungewohnte Stille ganz verrückt macht.
Viele hier haben die Covid-Bevormundung dermaßen über, dass man die sonst ziemlich disziplinierten Apulier auch wieder ohne Maske auf der Straße sieht. Überhaupt lockt das schon fast frühsommerliche Wetter der letzten Tage viele Leute zum Spazierengehen aus dem Haus, sodass man von Abstand auf der Seepromenade schon nicht mehr sprechen kann. Der tolle, italienische Farbcode ist schon lange keine zuverlässige Orientierungshilfe mehr. Rot (alles verboten außer Fahrten zur Arbeit, zum Supermarkt oder zum Arzt) ist nicht mehr nur rot, sondern auch hellrot (man findet auch andere offene Geschäfte; nicht nur Lebnensmittel) oder schon fast orange („Kannst deinen Kaffee auch schnell in der Bar trinken, heute kontrolliert keiner.“)
Wir sind trotz besten Wetters nicht ausgegangen. Wir hatten Freunde zu Besuch und haben auf der Terrasse Fisch gegrillt. Ich muss ja gar nicht immerzu rausgehen. Aber ich bin froh zu wissen, dass ich es könnte.
… und sobald wir wieder gelb sind, fahren wir irgendwohin. Egal wohin. Es sei denn natürlich, wir sind dann wieder positiv und in Quarantäne. In dem Fall gebe ich mir die Kugel… oder esse Erbeeren.
Und wenn man sich dann noch dessen bewusst ist, dass der PCR-Test völlig ungeeignet zum Feststellen von Infektionen ist und dass die „asymptomatische Infektion“ eine perfide Erfindung ist, muss man sich noch mehr über die Freiheitseinschränkungen ärgern. Ich hätte euch in Süditalien mehr Leichtigkeit gewünscht, aber ihr ward ja auch letztes Jahr zum Teil härter gestraft als wir hier in Deutschland.
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Ja, hier regiert definitiv die Angst. Daher lässt man auch so Vieles mit sich machen. … dabei scheint es wirklich so, dass es irgendwann jeden erwischt, 😦
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Da hast Du ja wirklich was durchgemacht. 🙈 Ich denke, jeder ist inzwischen genervt. Soooooo schön, wieder etwas von Dir zu lesen, liebe Corinna. Liebe Grüße, B.💫
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🙂 Danke fürs Reinlesen!
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Logisch 😁 ich habe meinen alten Blog gelöscht. Deshalb bin ich bei dir neu.🙃
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Liebe Corinna, da hast du ja einiges durch in den letzten vier Monaten und es gibt wirklich wichtigeres als einen Blog zu pflegen. Hauptsache ihr seid wieder fit und der Spuk ist bal zu Ende!
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Dein Wort in Gottes Ohr!
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Liebe Corinna, gut zu hören, dass es dich und deine Familie nicht schwer erwischt hat. Jetzt könnt ihr etwas entspannter rangehen, Abstand an der Seepromenade wäre natürlich trotzdem wünschenswert. Wir tragen hier alle weiter tapfer Maske, sobald wir das Haus verlassen. Aber der Umgang im Privaten ist, was ich im Umfeld so höre, viel lockererer als letztes Jahr, ich hoffe, es wird niemand bereuen müssen und wir kriegen den Endspurt bis zur Impfung gut hin. Wir persönlich machen nur im eigenen Condominio einen Kompromiss, es sind nur drei Familien mit Kindern, die Kontakt haben, wenn sie draußen spielen. Liebe Grüße aus der Lombardei! Anke
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Bei uns spielt leider niemand mehr draußen. Außerhalb der Kita hat Davide nur Kontakt mit einer Kita-Freundin, die bei uns im zweiten Stock wohnt.
Ich glaube, die Gesellschaft teilt sich gerade in die, die tapfer durchhalten, und die, die zeigen, dass sie die Nase voll haben. … und einige Regeln erschließen sich mir persönlich auch nicht mehr, weil sie aufgeweicht wurden oder sich als widersinnig/ in falsche Sicherheit wiegend herausgestellt haben.
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Ja, hoffentlich können bald alle, die es wollen, geimpft werden!!! … und dann wird das Leben endlich wieder normaler.
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Schön, wieder von dir zu lesen!
6 Wochen Quarantäne sind der Wahnsinn, wem sowas eingefallen ist…. bei uns sind es 2 Wochen und nach 10 Tagen kann man sich freitesten.
Auf die Kinder wird von der Politik leider am allerwenigsten Rücksicht genommen :-((
lg
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Ja, und dann denk nur, dass wir jemanden kennen, der 89 Tage in Quarantäne war – das sind 3 Monate! Das ist Wahnsinn. ich wäre verrückt geworden. Stand nach „nur“ eineinhalb Monaten schon kurz vor dem Wahnsinn.
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Das klingt vernünftiger. Aber hier überwiegt an den entscheidenden Stelle wirklich die Angst. Warum sonst hat meine Ärztin sich so standhaft geweigert, den Antrag auf Gesundschreibung nach 21 Tagen ohne Symptome zu stellen?
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freue mich, wieder von dir zu lesen, ehrlich, trotzdem erfrischend, Mühsam,, den vorgegebenen Anordnungen zu folgen, zu verstehen, für Kinder und Eltern, ihr habt es aber gut überstanden, seid gesund .Das zählt. ,
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Ja, so muss man es tatsächlich sehen.
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Ich freue mich auch, wieder von Dir/Euch zu lesen, auch wenn es ja nicht gerade die nettesten Dinge sind. Aber wir brauchen wohl alle einen langen Atem und dafür drücke ich Euch und uns allen ganz feste beide Daumen.
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Da hast du wohl recht. Wir atmen schon seit März letzten Jahres. Wird Zeit, dass es endlich besser wird.
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Uff, 6 Wochen….das ist hart. Aber es kann nun nur noch aufwärts gehen.
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Dein Wort in Gottes Ohr!
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Wie schön von dir zu lesen! Ich habe beim Lesen gedacht: Immerhin habt ihr (1) Covid-Tests und (2) es nicht so schlimm erwischt – anders als bei uns im letzten Jahr. Aber 6 Wochen Quarantäne sind unverhältnismäßig lang. Hoffentlich geht es bei euch nun nur noch aufwärts! LG
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Ja, deine Erfahrung war auch so eine Geschichte, die mir echt Angst gemacht hat. Dementsprechend froh bin ich jetzt im Nachhinein. 🙂
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Die toten Fische sehen lecker aus…
Aber ja! Corona ging zum Glück an mir und meiner Familie fast spurlos, bisher ohne Infektion, vorbei! Schön, die Mädchen – die eine wechselte den Job, die andere begann den ersten nach ihrem Studium – schimpften, da sie im Homeoffice starten durften und ihre Kollegen nicht mal kannten! Und der Sohn, weil er in seinem Job nicht ins Homeoffice durfte.
Aber die Betroffenen, und wir reden an dieser Stelle noch nicht mal von den schwer Kranken, den Sterbenden, den Toten und ihren Angehörigen, die fanden das alles nicht so toll. Nachvollziehbar.
Viele, wie immer, mal wieder vollkommen uneinsichtig. Aber dabei: (ihr da drunten mit Garten, ihr hattet noch Glück!!) wer möchte in Quarantäne und allgemein in diesem Lockdown in einer Stadtwohnung sitzen, sich wirklich wie eingesperrt fühlen? Das stelle ich mir, selbst auf dem Land lebend mit etwas Platz rund ums Haus, furchtbar vor!
Ich bin überwiegend in Mietwohnungen aufgewachsen: das ist so schon nicht großartig. Aber unter diesen Umständen wird es ganz rasch unmenschlich. Klar, das Überleben ist gesichert, Mehr wie das Klopapier wird schon nicht ausgehen. Aber man wird doch irre in den engen eigenen Wänden! (dabei die Frage, wie haben so etwas eigentlich die Bewohner von Megacities, von beispielsweise diesen japanischen Miniwohneinheiten gemacht? Wahrscheinlich bin ich wegen des dort ja weniger nötigen Klopapiers auf Japan gekommen.)
Diese Pandemie ist eine gewaltige Belastung. Die, wie immer, die sozial Schwächeren stärker trifft. Ich bin alles andere als reich, aber hier deutlich privilegiert (auch vom Alter her, die Jüngeren, so nicht im medizinischen Bereich – he, das war übrigens kein Zuckerschlecken für die! – tätig waren impfmäßig spät genug dran).
Gute Frage, was lernen wir daraus? Lernt wer was draus?
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Ich denke, einige haben etwas daraus gelernt.
Zum Ersten der Staat – und zwar, dass man mit viel Angst- und Panikmache auf der einen und dem Vorwurf anderern schaden zu wollen, wenn man bestimmte Grundrechte einfordert, auf der anderern Seite die Menschen relativ leicht dazu bringen kann, sich einsperren zu lassen. Was in einer Megacity vielleicht noch sinnvoll sein kann, ist auf dem platten Land oder in der Peripherie möglicherweise gar nicht nötig – aber musste trotzdem sein. Und keiner kann sicher sagen, ob es überhaupt geholfen hat.
Ich habe mehr Angst vor einem neuerlichen Eingesperrtwerden als vor dem Virus. Der hat mir praktisch nicht geschadet, aber der Hausarrest brachte mich zur Depression. Ich erkannte mich selbst nicht wieder. … und es kann jederzeit wieder passieren. Ein swap test genügt.
2. Leute kaufen jetzt wieder mehr Wohnungen mit großen Balkons und Terrassen, aber man fühlt sich nach mehreren Wochen auch gefangen, wenn man wie wir den Luxus einer Terrasse genießt und diese nicht verlassen darf. Grenzen sind immer Mist!
3. Arbeitgeber: Auch im Homeoffice weit von den wachsamen Augen einer Zeiterfassung leisten Mitarbeiter genauso viel wie auf Arbeit. Allerdings trägt es auch zur Vereinsamung bei. Wenn man den lieben langen Tag gar keinen mehr persönlich trifft, fehlt auch etwas. Also ein Kombination ist optimal.
Vielleicht gibt’s noch mehr… wenn man länger darüber nachdenkt. 🙂
Schön, dass ihr irgendwie weniger betroffen durchgekommen seid!!! Ich drück‘ die Daumen dafür, dass es so bleibt.
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