Apulienbesucher, die nicht an Klaustrophobie leiden, muss der gute Touristenführer natürlich in die Grotten von Castellana geleiten. Darüber habe ich schon einige Beiträge verfasst. So ist es auch geschehen, als mein Cousin mich unlängst besuchte. Durch zwei Begebenheiten, die typisch für Italien und die Italiener sind, wurde gerade dieser Besuch unvergesslich, obwohl es schon mein siebter seit dem Jahr 2000 gewesen ist.
Italiener haben keinen Respekt vor Verboten
In den Grotten von Castellana ist es außer in der ersten Höhle verboten zu fotografieren, weil Licht den Mineralien schadet und man natürlich mit professionellen Fotos und Büchern Geld verdienen möchte, das sicherlich unter anderem für die weitere Erschließung und andere Kosten verwendet wird. Besonders stolz sind die Castellaner auf ihre weiße Grotte, in der sämtliche Stalaktiten, Stalagmiten und Säulen aus weißen Mineralien bestehen.
Als wir mit unserer Gruppe jedoch beim letzen Besuch in der weißen Grotte eintrafen machten bereits Italiener aus der Gruppe vor uns ungehemmt Fotos, sodass unsere Führerin schließlich meinte, wir sollten keinen Blitz verwenden und uns mit dem Fotografieren beeilen, damit die nächste Gruppe es nicht mitbekommen möge. Hier also ein halb-autorisiertes Handyfoto ohne Blitzlicht.
Die Bahn kommt
Nach dem Höhlenbesuch drückten wir uns noch eine Weile in den kleinen Souvenirshops herum, um dann zu gegebener Zeit den Bahnsteig aufzusuchen. Dieser wurde eigens für Grottenbesucher auf freiem Feld errichtet und besteht aus einem Mäuerchen, zwei Bänken und einer Konstruktion mit einem winzigen Dach.
Die Sonne brannte. Unser Wasser war alle. Meine Blase drückte. Aber in nur zehn Minuten sollte der Zug kommen. Wir setzten uns also auf das Mäuerchen in den Schatten einer Robinie und waren guter Dinge. Nach zehn Minuten kam jedoch kein Zug. Auch nicht nach 15. Nach 20 Minuten rief mein Cousin „Da kommt er!“ und sprang von der Mauer. Besagter Zug gab jedoch nur ein langgezogenes Tuten von sich und brauste an uns vorüber. „Für zwei Hanseln halte ich nicht, wenn ich schon Verspätung habe!“ – sollte das wohl heißen. Danke Ferrovie Sud Est! Ein Musterbeispiel an Service. Die Sonne brannte weiter. Die Mauersteine piekten am Po. Meine Blase drückte noch mehr, aber das Wasser war zum Glück alle.
Mein Cousin spielte nun Clubmusik auf seinem Handy. Ein monotones, scheinbar ewig langes Stück, das ich wohl für immer mit der Bahnstation Grotte di Castellana verbinden werde – irgendwas mit „summertime“ und „sadness“. Doch ehrlich gesagt, war ich weder traurig noch verärgert über diese Begebenheit. Sie passte einfach zu Süditalien wie die Faust auf’s Auge und gab mir die Möglichkeit, meine in zwei Jahren angelernte, apulische Gelassenheit zu demonstrieren, indem ich mich nun auf einer Bank in der Sonne ausstreckte und beschloss, mich ein bisschen zu rösten und erst unruhig zu werden, wenn auch der nächste Zug nicht anhalten würde. Selbst meine Blase entspannte sich und gab das Drücken auf.
Nach ungefähr zehn Mal „summertime sadness“ kam dann der nächste Zug und so gelangten wir auch wieder zurück nach Triggiano. Maria, die uns zum Mittagessen erwartet hatte, war inzwischen schon in höchster Alarmbereitschaft und wähnte uns in den Grotten verschollen. Aus purer Erleichterung und um dieses schlechte Beispiel an apulischer Gastfreundschaft wieder wettzumachen, kellte sie uns Beiden eine doppelte Portion vom Mittagessen auf, ließ mich aber vorher zum Glück ihr Bad benutzen.