Für den heutigen Beitrag habe ich einen Gastautor gewinnen können, der drei Jahre lang in der Peripherie von Bari gelebt und gelernt hat. Vielen Dank für den langen Bericht! Wenn Leo nicht gerade über Apulien schreibt, dann denkt er sich Beiträge für seinen eigenen Block ANABCA aus. Schon merkwürdig, dass sich ein so junger Mensch so intensiv mit kommunistischen Systemen beschäftigt, dass er zum Brüllen komische Satire daraus machen kann. Sehr sympathisch. Reinsehen!
Hallo, liebe meinapulien-Leser, mein Name ist Leo, und ja, das ist ein Gastartikel.
Ich komme ursprünglich aus Stuttgart im schönen Baden-Württemberg, wohnte aber 3 Jahre in Bari, genauer gesagt in Bari – Santo Spirito. Was hatte mich denn hier her verschlagen? Also mich: gar nichts. Eher meinen Vater und demnach auch die ganze Familie, denn mein Vater ist Ingenieur bei einer deutschen Firma, die unter anderem eine Niederlassung in Bari hat. Zuletzt ging ich in eine 9. Klasse eines „Liceo Classico“, eines sog. Klassischen Gymnasiums, in dem ich unter anderem Latein und Altgriechisch lernte. Ich habe also den Alltag in einer süditalienischen Vorstadt von der Schule über’s Einkaufen bis zu Problemen bei der Stromversorgung ziemlich umfassend kennengelernt. In den drei Jahren hatte ich mich an alles gewöhnt und mochte zuletzt nichts mehr missen (jetzt vermiss‘ ich zum Beispiel die Schreie meiner Mutter, wenn der Wasserkocher die Sicherung „raushaut“, weil ein anderes Großgerät zur selben Zeit angeschaltet wurde), spreche immer noch ziemlich gut Italienisch, brauche die Sprachkenntnisse zur Zeit aber nur beim Italiener.
Jeder, der schon einmal mit dem Flugzeug nach Bari geflogen ist, kennt den Flughafen Palese, und ungefähr 5 Kilometer weiter Richtung Meer, liegt Santo Spirito, früher zu Bitonto gehörend, heute – Vorstadt von Bari. Und tatsächlich… Von Bari sind wir nur ungefähr 16 Kilometer entfernt und damit praktisch der letzte Arm der Gemeinde. Die genaue Einwohnerzahl lässt sich nicht ermitteln, da Santo Spirito administrativ mit den Vierteln Palese, Catino und San Pio das so genannte „Quinto Municipio“ bildet, das zusammen ungefähr 28.000 Einwohner hat.
Santo Spirito ist aber noch mal ein Fall für sich, denn viele Leute haben hier eine „Sommer-Datsche“ am Meer, die halt eben nur im Sommer bewohnt ist. Deshalb kommt es vor, dass im Städtchen im Winter nur noch die Hälfte der „Einwohner“ da ist. Also können wir das schon mal als ersten Punkt in unserer „Sehenswürdigkeiten-Liste“ aufnehmen: das Meer.
Es ist zwar nicht besonders komfortabel hier zu baden (wir haben fast überall nur Steine und man sollte auch immer Bade-Schuhe aus Plastik benutzen), aber dafür ist das Meer recht warm im Sommer und außerdem ziemlich sauber. Wenn man sich dann noch so glücklich schätzen kann wie ich, der 3 Jahre lang 200 Meter weit vom Meer weg wohnte (und das die letzten Tage noch genießt), dann hat man’s gleich vor der Haustür. Überhaupt ist in Santo Spirito so ziemlich alles nah beieinander. Das ganze Städtchen besteht aus einer Hauptstraße, der Via Napoli und aus einem Gefüge an Nebenstraßen links und rechts, die alle (fast) parallel zueinander verlaufen.
Hier zum Beispiel die Via Malta, eine Querstraße der Via Napoli
Wenn man die Via Napoli Richtung Palese weiterfährt oder -läuft, dann kommt man auf jeden Fall an der Kirche vorbei, die dem ganzen Vorort seinen Namen leiht: die „Chiesa dello Spirito Santo“, also die Kirche des heiligen Geistes.
Diese Kirche mit den markanten zwei Türmen, die man schon von weitem sieht, ist auch deshalb sehr wichtig, weil es dahinter ein Fußballfeld gibt, das von den Kindern und Jugendlichen Santo Spiritos rege benutzt wird. Ich, als chronischer nicht-Fußballer, habe daher nie genau verstanden, was „andiamo a giocare alla chiesa?“ (wörtlich: „spielen wir in der Kirche?“) heißt; bis ich das herausfand.
Begeben wir uns jetzt von der Kirche in eine der Querstraßen, kommen wir zum Hafen, also zum „Häfchen“, dass wirklich sehr malerisch ist. An warmen Sommersonntagabenden ist das Lungomare am Hafen für Autos gesperrt und man kann sinnlich flanierend die vielen bunten Stände der fliegenden Verkäufer bestaunen. Von Kleidern über Taschen zu Schmuck ist alles vorhanden was das Herz des Marktgängers begehrt. Im Hafen selbst liegen verschiedenste Boote und Schiffe vor Anker (einige auch genauso tief wie ihr Anker). Die vielen santospiritesischen Fischer haben selbstverständlich auch ihre eigenen Kähne, die sie hin und wieder auch versenken. À apropos Fischer: Fisch, Oktopus, Krabben und sonstige Meerestiere sind in Santo Spirito reichlich vorhanden und man bekommt ihn am frischesten auf dem örtlichen Fischmarkt am Hafen.
Außer Fisch kann man auch sehr lecker Eis essen. Dazu bieten sich das Café „Gabbiano“ und die Bar „Ghiacciobollente“ an. Das Eis ist natürlich „artigianale“ und man kann auch ohne Probleme zwei Coni vertragen. Ich persönlich greife gerne auf die Sorten Schokolade, Fiordilatte und Nocciola zurück.
Italien ist nichts ohne Pizza, Focaccia, Panzerotti und co. Das gilt wohl auch in besonderem Maße für Santo Spirito. Es gibt mehrere Restaurants und auch einige „Front-Cooking-Tavernen“, die durchaus zu empfehlen sind. In unserer Familie hat sich mittlerweile Samstagabends der Satz eingebürgert: „Geh’n wir zum Country, zum Da Donato oder zum Angelo?“. Mein Vater bevorzugt den „Angelo“ (in der Nähe des Fischmarktes), weil er frischen „Polpo-Döner“ anbietet. Mit Döner hat der aber wenig zu tun, es ist ein Polpo im Ofen gebacken in einem Döner-Brötchen serviert. Angelo kann auch Pizza und das ziemlich gut, vor allem was die „Pizza della Casa“ angeht, die wohl mit allem belegt ist, was er gerade da hat. Das Country ist eine Steh-Trattoria in der Nähe des Kinos; ja wir haben auch ein Kino, auch wenn es „Il Piccolo“ heißt. Dort gibt es alles, was das apulische Fastfood-Herz begehrt (Focaccia, Pizza, Panzerotti, Sgagliozze, Burger, Arancini, Pommes). Wer das örtliche Restaurantbusiness stärken will und gerne etwas mehr Geld da lassen will, dem kann man drei Restaurants an der Seepromenade empfehlen. Das erste ist „L’Aragosta“, in dem vorzüglicher Fisch serviert wird. Wer richtig nobel speisen will, geht entweder ins „Lo Scoglio“ oder ins „Paradise“. Diese beiden Lokale sind zwar offiziell schon in Palese aber nur wenige hundert Meter vom Hafen entfernt. Zu erwähnen ist auf jeden Fall das Vorspeisen-Buffet im „Paradise“ und der Preis im „Lo Scoglio“.
Von Bari aus kann man Santo Spirito ziemlich bequem erreichen. Wir haben einen Bahnhof, mit der Staatsbahn „TRENITALIA“ erreicht man Santo Spirito innerhalb von 15-20 Minuten. Das halbstaatliche Busunternehmen „STP“ verbindet das nördliche Apulien mit der Hauptstadt der Region und macht auch Halt in Santo Spirito.
Es gibt zwei Schulen im Städtchen, die administrativ zueinander gehören. Eine Grundschule (Scuola elementare, 1. bis 5. Klasse) und eine Mittelschule (Scuola media, 6. bis 8. Klasse). Beide Schulen befinden sich in „wunderschönen“ 80-er Jahre Betonbauten.
Insgesamt ist Santo Spirito auf jeden Fall einen Besuch wert, vor allem wenn man länger in Bari ist und mal etwas Abwechslung braucht. Und es hat mir auch richtig gut gefallen.
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