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Gastbeitrag: Friedrich II. – Das Staunen der Welt

Ich freue mich sehr darüber, dass mir Britta von Rome and Home als promovierte Historikerin heute dabei unter die Arme greift, euch einen wichtigen oder vielleicht sogar DEN wichtigsten Menschen der apulischen Geschichte näher zu bringen. Als Besucher meiner Wahlheimat stolpert man nämlich immer wieder über seinen Namen und kommt natürlich auch nicht umhin, mindestens eines seiner Kastelle zu bewundern. Die Rede ist von Friedrich 2., dem Stauferkaiser.

Doch, wenn man beginnt, sich näher mit ihm zu beschäftigen, wird man von der Fülle des Materials und der Informationen förmlich erschlagen. Von daher bin ich sehr froh, dass Britta diesen Beitrag übernommen und einen kurzweiligen, informativen Einstieg in das Leben dieses interessanten Menschen geschrieben und illustriert hat.

Und mit dieser Vorrede sowie einem herzlichen Dankeschön übergebe ich das Wort an meine Gastautorin Dr. Britta Kägler. Viel Spaß beim Lesen!

Ein Staufer in Apulien? – Friedrich II. oder: das Chint von Pülle!

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Rückseite der 1 Cent-Münze

Haben Sie die italienische 1 Cent-Münze schon einmal in der Hand gehabt? Bestimmt! Zu sehen ist eines der faszinierendsten Bauwerke des Mittelalters: das Castel del Monte. Der Grundriss dieser wehrhaften Burg zeigt ein ideales Achteck. An den Ecken des Oktogons ragen jeweils achteckige Türme in den Himmel. Zwei Seiten eines solchen Turms fallen mit den Seiten des großen Achtecks zusammen. Ich bin mir sicher, dass jedes italienische Kind in Puglia im Mathe-Unterricht schon mal die Fläche von Castel del Monte berechnen musste. Aber auch in Geschichte bietet der rätselhafte Bau jede Menge spannende Fragen und nicht unbedingt auf jede Frage eine Antwort… Die perfekte Vorbereitung für einen Ausflug zum Castel del Monte hat Corinna ja schon gegeben.

Für mich war Castel del Monte der erste Kontakt mit Kaiser Friedrich II. in Italien.

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Imposante Erscheinung – Castel del Monte

Klar, ich habe Geschichte studiert und ich beschäftige mich viel mit dem Mittelalter und mit (Süd)Italien sowieso. Aber trotzdem war mir Friedrich II. vorher nicht wirklich begegnet… Erst eine Reise nach Apulien zeigte mir wie präsent Friedrich II. gerade dort immer noch ist.

Wer war dieser Friedrich, der in Italien bekannter zu sein scheint als in Deutschland?

Er gehörte zur Dynastie der Staufer, deren Stammburg – die Burg Hohenstaufen – in der Schwäbischen Alb bei Göppingen lag. Das schwäbische Adelsgeschlecht hat so berühmte römisch-deutsche Könige und Kaiser wie Barbarossa (Friedrichs Opa), Heinrich VI. (Friedrichs Vater) und eben Friedrich II. hervorgebracht, den „stupor mundi“! – Der was? Der Reihe nach: Weshalb schlägt man so viele Bücher über Friedrich auf und liest, er sei das „chint aus pülle“ gewesen? Chint = Kind und Pülle = Apulien! Friedrich aus Apulien? Ja, genau! Denn Friedrich wurde im Dezember 1194 in Jesi geboren, das damals zum Königreich Sizilien gehörte. Die Umstände kann man sich filmreifer kaum vorstellen: Sein Vater hatte 1194 ein nicht unbeträchtliches Lösegeld für Richard Löwenherz herausgeschlagen (das ist eine andere Geschichte!). Mit diesem Geld ließ sich ein Feldzug gegen Sizilien eröffnen und tatsächlich zog Heinrich VI. am 20. November siegreich in Palermo ein. Am ersten Weihnachtstag wurde er dann im Dom zum König von Sizilien gekrönt. Und nur einen Tag später brachte Heinrichs Frau seinen einzigen Sohn zur Welt: Friedrich! Dass der Kleine öffentlich in einem Zelt vor der Kirche geboren wurde, ist übrigens eher eine Legende aus späterer Zeit…

Sizilien war in der damaligen Zeit ein Zentrum von Wissenschaft und Kultur! Ein bekannter Kulturhistoriker – Jakob Burckhardt – bezeichnete Friedrich II. einmal als den ersten modernen Menschen auf dem Kaiserthron. Das mag daran liegen, dass Friedrich in einer höfischen Gesellschaft aufwachsen konnte, die zukunftsweisenden Ideen offen gegenüberstand. Er lernte mehrere Sprachen, förderte später Wissenschaftler und zeigte z.B. sein Leben lang Interesse am Islam; was ihn für die heutige Geschichtsforschung ziemlich interessant macht. Einflüsse, Bauten und Ideen von Arabern, Normannen und Staufern mischten sich im Königreich Sizilien wie vielleicht nirgendwo sonst in dieser Dichte.

Als 17jähriger wurde Friedrich zum deutschen König gewählt. Ungefähr acht Jahre hielt sich der apulische junge Mann im Deutschen Reich auf. Damals zog der Kaiser mit seinem Hofstaat von Pfalz zu Pfalz, von Burg zu Burg, um mit dieser „Reiseherrschaft“ möglichst in seinem ganzen Territorium präsent zu sein. Aber von 39 Regierungsjahren war Friedrich 28 in Italien. Dort lag – für ihn – der Kern seines Reichs. Er schuf eine funktionierende Verwaltung, förderte den Handel zwischen dem christlich-abendländischen und dem arabischen Kulturkreis, er holte Wissenschaftler und Künstler an seinen Hof. Burgen, Paläste und Kirchen entstanden in Altamura, Brindisi, Catania, Gioa del Colle, Lucera, Maniace, Milazzo, Oria und nicht zuletzt eben das bereits erwähnte Castel del Monte. Vielleicht haben auch diese beeindruckenden Bauten zu seinem Beinamen „stupor mundi“ geführt: Friedrich wurde von Zeitgenossen als das Staunen der Welt bezeichnet.

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Castel del Monte – Innenhof

Wer Lust bekommen hat, sich ein bisschen intensiver mit Friedrich II. zu beschäftigen, dem möchte ich gern ein paar Bücher empfehlen:

weiterführende Literatur:

Horst Stern: Mann aus Apulien: Die privaten Papiere des italienischen Staufers Friedrich II., römisch-deutscher Kaiser, König von Sizilien und Jerusalem, Erster nach Gott, über die wahre Natur der Menschen und der Tiere, geschrieben 1245-1250, München 1986.

Ernst Kantorowicz: Kaiser Friedrich der Zweite. [Erstausgabe 1927] – Das Buch ist wissenschaftlich nicht mehr auf dem aktuellen Stand, aber es gilt als Meilenstein der Friedrich-Publikationen und Bestseller. Immer noch lesenswert!

Hubert Houben: Kaiser Friedrich II. (1194–1250). Herrscher, Mensch, Mythos. Stuttgart 2008.

Olaf B. Rader: Friedrich der Zweite. Der Sizilianer auf dem Kaiserthron. München 2010.

Knut Görich: Die Staufer. Herrscher und Reich. München 2006.

Oder einfach ‚mal ein Blick ins Detail:

Martina Giese: Die Tierhaltung am Hof Friedrichs II. Zwischen Tradition und Innovation, in: Knut Görich u.a. (Hg.): Herrschaftsräume, Herrschaftspraxis und Kommunikation zur Zeit Kaiser Friedrichs II. München 2008, S. 121–171.

Sindy Schmiegel: Gerechtigkeitspflege und herrscherliche Sakralität unter Friedrich II. und Ludwig IX. Herrschaftsauffassungen des 13. Jahrhunderts im Vergleich 

Gastbeitrag geschrieben und illustriert von Dr. Britta Kägler: Rome and Home