Megafone auf Sandstein

Man kann über unser kleines Städtchen am Rand von Bari sagen, was man möchte, aber nicht, dass es hier langweilig würde. Wir haben zwar kein Theater, kein Kino und keine Galerien direkt im Ort und das städtische Gemeinschaftsleben findet meistens als Volksfest auf der Piazza statt, aber das hindert uns doch nicht daran, ein bisschen Kultur in unser unmittelbares Leben einfließen zu lassen. Vor allem, wenn man gar keine Galerie als Ausstellungsort benötigt.

Nûr/Luce: a Triggiano la mostra fotografica di Maïmouna Guerresi
Hier erfuhr man, warum plötzlich überall Fotos in der Altstadt auftauchten.

So geschehen im vergangenen Jahr, als man plötzlich über 30 Fotos der italienisch-senegalesischen Künstlerin Maïmouna Guerresi, die ihre Arbeiten bereits auf der Biennale in Venedig oder auf der Documenta K18 in Kassel präsentierte, auf den Wänden verschiedener Altstadthäuser in unser Kleinstadt in Südapulien betrachten konnte. Als ob Triggiano ein großes Open-Air-Museum wäre! So gingen also im Herbst ganze Familien auf die Pirsch und wetteiferten darum, wer die meisten oder gar alle Kunstwerke im Labyrinth der Altstadtgassen finden würde.

Nûr/Luce“ (dt. Licht) hieß der Titel der Ausstellung und tatsächlich haben die Bilder reichlich Licht in Triggiano gesehen und Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Darüber hinaus sollten die Fotografien mit ihrer Verarbeitung des Themas „Licht“ zur Überwindung kultureller, sozialer, sprachlicher, ethnischer und religiöser Barrieren beitragen. Der Künstlerin ging es laut Presseberichten um die Akzeptanz des Anderen, die Gleichheit in der Vielfalt und um Menschenwürde in der Verflechtung der Kulturen. … das alles auf Triggianos teilweise recht bröseligen Häuserwänden: Eines konnte man sogar nur durch ein Guckloch auf dem Boden eines Kellerraumes betrachten. Doch tatsächlich hatte es einen ganz besonderen Charme festzustellen, wie schnell die Kunstwerke Teil des städtischen Alltags wurden und man sich z.B. an verschleierte Frauen wie die bittende Nonne gewöhnte. Auf mich machten vor allem die Muslimas mit den roten Megafonen der Reihe „Sound“ einen bleibenden Eindruck, weil sie offensichtlich gehört werden wollten, aber als Bild doch lautlos blieben.

Nûr/Luce: a Triggiano la mostra fotografica di Maïmouna Guerresi
Foto aus der Reihe „Sound“

Wie kommt die Künstlerin nun auf solche Motive? Beim Fotografieren gehe sie, laut Bari Today (23.02.2023) von einer Idee aus, die dann mit Hilfe von Kostümen im Sinn einer Erzählung inszeniert wird. Festgehalten wird die Erzählung letztlich durch die Fotografie und damit eben durch Licht.

Jedenfalls machten diese Fotos die Sandsteinkulisse der Altstadt sehr viel farbiger. Deshalb ist es auch schade, dass die Ausstellung Ende Dezember zu Ende gehen musste.



8 Gedanken zu „Megafone auf Sandstein

  1. Anonymous

    Oh, tolle Fotos 🙏 Danke, dass Du uns mit diesem Beitrag daran hast teilhaben lassen. LG von einer „Teilzeitbewohnerin“ aus Ostuni 🥂 Andrea

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  2. afrikafrau

    Das habe ich sehr gerne gelesen – eine Idee, die Schule machen könnte. Da ich einige senegalesische Künstler persönlich kennengelernt habe, von Ihnen auch gelernt, Licht und Farben, Motive , Stoffreste etc. damit umzugehen, werden solche Künstler hier in Europa. sogar in Frankreich, dort leben Senegalesen, sprachlich
    haben sie keine Probleme. ignoriert, als wären sie nicht existent. Unterstützung finden sie sehr selten. Sie bleiben im Hintergrund, da ihr Aufenthalt-Status oft nicht
    klar erkennbar. oder Papiere fehlen. Beim Fußball sieht es anders aus, oder in der Musikwelt. Vielleicht ist das aber auch gut so, sie bleiben unabhängig und frei.

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    1. Corinna Autor

      Hallo, ich habe mir schon gedacht, dass dich dieser Beitrag ansprechen wird. Vielen Dank für deine interessanten Ergänzungen! Ich finde es jedenfalls schön, dass man mit Hilfe der Kunst relativ leicht Brücken schlagen kann.

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    1. Corinna Autor

      Tatsächlich war es eine tolle Idee, die Kunst in den öffentlichen Raum zu integrieren, statt sie in einer Galerie zu zeigen, wo nur ein bestimmtes Publikum hingehen würde.

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