Archiv für den Monat September 2022

castello aragonese di Taranto

Abstecher nach Tarent

Wahrscheinlich ist „Kleinposemuckel“ im deutschen Sprachbewusstsein präsenter als die italienische Stadt Tarent. Deshalb fällt es mir auch schwer, Tarent zu schreiben, statt den italienischen Namen „Taranto“ zu benutzen. Lange habe ich einen Bogen um diesen historischen Flecken Apuliens gemacht, weil er im Tagesgespräch nur auftaucht, wenn es um das so nötig als Arbeitsplatz gebrauchte wie als Gesundheitsrisiko verschriehene Hüttenwerk „ILVA“ geht. Aber weil wir nun bei unserem Badeurlaub in Pulsano schon mal so dicht dran waren und nicht über Mittag am Badestrand geröstet werden wollten, entschlossen wir uns, zum Essen nach Tarent zu fahren, um nebenher gleich mal die Lage für einen zukünftigen Kurztripp dorthin zu sondieren.

Ja, natürlich ist es zum Anlocken der Touristen denkbar ungünstig, wenn diese von einer rostigroten Industrielandschaft begrüßt werden und man den roten Staub auch auf Schildern und Straßenmarkierungen sieht. Aber hat man sich erstmal bis ins Zentrum vorgearbeitet, wird man von einer sauberen und schmucken Neustadt aus der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert angenehm überrascht. Die Shoppingmeile zwischen Via d’Aquino und Via Palma kann dabei durchaus mit der Via Sparano der apulischen Regionshauptstadt Bari mithalten.

Das historischen Zentrum Tarents ist über eine Drehbrücke erreichbar, welche an dem fraglichen Sonntag allerdings wegen eines Schwimmwettbewerbes, der im Kanal vor dem Aragonischen Kastell seine Ziellinie hatte, geschlossen blieb. Demensprechend ankerten zahlreiche Frachtschiffe im Meer vor der Altstadt, da sie nicht in den Hafen einfahren konnten. Auf der Strandpromenade hatten sich viele Schaulustige eingefunden, um ihren Favoriten anzufeuern. Aus dem gleichen Grund blieb allerdings auch das Kastell für Besucher geschlossen, was zwar sehr schade war, aber was die gut restaurierte Anlage nebst der Stadt Tarent nun entgültig auf unsere „To-Do“-Liste verfrachtet hat.

Wir schlenderten also über die besagte Brücke und durch das historische Zentrum, um uns dann in einer „Braceria“ zum Essen niederzulassen. Dabei hatte ich kurzzeitig ein Dejavu-Gefühl, als uns eine Souvenirverkäuferin riet, nicht von der Via Duomo abzugehen, weil diese dank des Hauptquartiers der Carabinieri ziemlich sicher sei, während man in den angrenzenden Gassen nicht wissen könne, wer einem begegne. So ähnlich klang der Rat meiner Schwiegermutter bezüglich der Altstadt von Bari noch vor 10 Jahren: keine Handtasche, keinen Fotoapparat, bloß kein Geld und nicht von der Hauptstraße abweichen! Bleibt zu hoffen, dass sich diese Situation auch in Tarent in den nächsten Jahren zum Positiven wendet. Immerhin gehen bald Renovierungsarbeiten in einigen baufälligen Palazzi der Altstadt los, wovon großformatige Schilder kündeten. Außerdem zeugen viele liebenswerte Details vom großen Potenzial dieser Stadt.

Wir werden also definitiv wiederkommen, denn neben dem wunderbar restaurierten Schloss der Aragonier und den Spuren aus der Zeit „Großgriechenlands („Magna Graecia“, 8. Jh. vor Chr.) gibt es auch das „Museo Archaeologico Nazionale di Taranto“ (MarTA), das mir gerade vor ein paar Wochen ein Arbeitskollege sehr ans Herz gelegt hat. Daher wird es mit Sicherheit bald mehr über diese interessante Stadt auf MeinApulien zu lesen geben.