Archiv für den Monat Juni 2018

Ruvo di Puglia und die Jugend von heute

Wenn man den rücksichtslosen motorisierten Verkehr in Bari aus Maßstab nimmt, dann möchte man in Apulien nicht radfahren.  Trotzdem gibt es in vielen Orten sogar Fahrradclubs, die sich an Wochenenden und Feiertagen gemeinsam auf die Straßen wagen und meistens im Pulk auftretend den fließenden Autoverkehr blockieren. Die sind schon ziemlich verrrückt mutig.

Warten auf die Radsportler

Für einen paralympischen Radsportwettbewerb auf nationaler Ebene hatte man am 13. Mai in Ruvo di Puglia hingegen in und um die Stadt die Straßen für den normalen Verkehr gesperrt. Was wir vor unserer Ankunft jedoch nicht wussten. Allerdings stießen wir trotz dieser Behinderung recht schnell auf den flachen Berggipfel der apulischen Hochebene Murgia vor, auf dem sich das historischen Zentrum der Stadt ausbreitet.

Typische Altstadtgasse von Ruvo

Warum ich unbedingt einmal nach Ruvo fahren wollte, weiß ich selbst nicht so genau. Ich erinnere mich an patriotische Deutschschüler, die aus diesem Ort kamen und meinten, er wäre wegen des Archäologischen Nationalmuseums (Museo Archaelogico Nazionale Jatta) eine Reise wert. Leider ist Davide (noch) kein Museumstyp und findet eher Spielplätze besichtigenswert, so dass wir für die über 2000 Ausstellungsstücke zählende, wertvollste Sammlung antiker Vasen  in Apulien in späteren Jahren noch einmal nach Ruvo zurück kommen werden müssen. Die von zahlreichen Kindern bevölkerte Spielwiese war diese Mal einfach anziehender.

Ruvo hingegen war nicht immer nur eine kleine Stadt im Hinterland von Bari. Dereinst lag sie günstig an der römischen Handelsstraße Via Traiana. Diese war von Kaiser Traian als Abkürzung der Via Appia gebaut worden, welche Rom mit der Stadt  Brindisi und vor allem ihrem Hafen verband, der die wichtigste Handelsbasis seiner Zeit mit dem Orient bildete. Auch der Dichter Horaz kam hier vorbei.

Uhrenturm aus dem Jahr 1604

Unser erster Eindruck gut 2000 Jahre nach Horaz war positiv. Die von ihm bemängelte Straße hat wohl inzwischen Verbesserungen erfahren und die aus weißem Tuffstein erbaute Altstadt ist sauber und gepflegt. Die Jugend Ruvos scheint auch nicht gerade auf den Kopf gefallen. Sie lernt offensichtlich nicht nur gern Fremdsprachen, sondern junge Ortsbewohner haben auch das paralympische Radrennen an diesem Tag organisiert. Zwei nette Mädchen vom Touristenverein „Pro Loco“ verlockten uns, den Uhrenturm zu besteigen.

Wir fanden es schon komisch, dass wir ein Dokument unterzeichnen mussten, in dem wir erklärten, dass wir  die alleinige Verantwortung für Davides Wohlergehen übernehmen werden. Doch schon bei den ersten der unglaublich steilen und schmalen Treppenstufen wurde uns klar, warum. Allerdings lohnte sich der beschwerliche Aufstieg, bot sich uns doch vom Uhrenturm aus nicht nur der Blick auf die zwei großen Glocken, die es unserem Sohn angetan hatten, sondern man hatte einen atemberaubenden Ausblick über die Stadt und die Murgia bis zum Castel del Monte, das in der Ferne von einem weiteren Hügel aus herübergrüßte.

Kathedrale Santa Maria Assunta

Beeindruckend ist auch Ruvos Kathedrale, obwohl sie auf den ersten Blick wie alle Kirchenbauten aus dem 12./13. Jahrhundert scheint. Auf den zweiten Blick sieht man jedoch, dass ihr Dach seltsam langgezogen ist und den Bau damit etwas klobig macht. Rotter vermutet, dass hier dereinst Seitenschiffe nachträglich angebaut worden sind. Beeindruckend ist jedoch vor allem der Zoo, der sich auf der Vorderfront tummelt: recht verwittert, aber zu erkennen, sind zwei Löwen und über ihnen thronen Greife und die abwärts verlaufenden Weinranken schließen ebenfalls verschdiedene Tiere ein.

Später genossen wir in einer direkt an der Radrennstrecke gelegenen Eisbar den Vormittag und jubelten den körperbehinderten Sportlern zu. An diesem Tag musste sich die freundliche Stadt mit einer lobenswerten „Jugend von heute“ angesichts des beachtlichen Gefälles des Ruvoer Hügels unsere Bewunderung definitiv teilen.