Mission Stinkefinger I – Ich liebe dich, ich liebe dich nicht

Wer auf diesem Blog häufiger mitliest, wird schon gemerkt haben, dass ich mit meiner Liebe recht verschwenderisch umgehe, wenn sie sich jemand verdient hat. Meine Beziehung zu Russland hingegen ist schon immer so eine Art von Neugier geprägter Hassliebe gewesen.

Sie begann mit meiner schulischen Laufbahn noch in der ehemaligen DDR, wo man ganz selbstverständlich Russisch als erste Fremdsprache lernte. Ab der fünften Klasse stand also die hagere, ziemlich strenge Russischlehrerin Frau Krause stellvertretend für das Land der guten Menschen, die glücklicherweise unsere Freunde waren. Das mit der Sprache klappte ganz gut und ich hegte plötzlich den Traum, irgendwann mal nach Moskau zu fliegen und wie Jonas an einem Moroshenoje schleckend über den roten Platz zu schlendern.

Katrin Pieper und Ingeborg Friebel: Die große Reise des kleinen Jonas, Kinderbuchverlag Berlin, 1962

1989 führte schließlich Gorbatschow (für Freunde wie uns natürlich „Gorbi“) Russland an und mit seiner Politik der Perestroika (Umgestaltung) zur Wiedervereinigung Deutschlands. Zum Dank wurden Russisch und Russland plötzlich ziemlich unpopulär. Wir paukten lieber Englisch und träumten von London, Schottland und Amerika. Texte über Peter den Großen in Kyrillisch hielten wir nur noch aus, weil Frau Opitz vom Gymnasium im Gegensatz zu Frau Krause von der Polytechnischen Oberschule total nett war.

Nie wieder Russisch! – schwor ich mir dann nach dem Abitur, nur um mich ein paar Jahre später plötzlich für 4 Monate in Sankt Petersburg wiederzufinden, um mein Russisch für eine B2-Prüfung an der Uni aufzupolieren. Plötzlich schlug das Pendel eindeutig zur Liebesseite aus, denn ich lernte dort so viele einfache, aber herzliche und hilfsbereite Russen kennen, die mich unter ihre Fittiche nahmen und zum Beispiel mit mir im Garten des Zaren in Peterhof Äpfel auflesen gingen, um danach in ihrer engen Einzimmerwohnung in der Kommunalka (WG) Apfeltaschen damit zu backen. Nie haben mir welche besser geschmeckt! Nach dieser Zeit in einer der schönsten und ambivalentesten Städte Europas bestand ich nicht nur die Prüfung, sondern war auch fest davon überzeugt, dass ich Russland weiter bereisen würde. Und vielleicht wäre es auch so gekommen, wenn mich nicht plötzlich ein Arbeitsverhältnis in Deutschland gehalten und eine Liebesverhältnis nach Italien gezogen hätten.

Leider ist der Kontakt zu russischen Freunden über die letzten 20 Jahre eingeschlafen und das Sprachvermögen wieder deutlich zurückgegangen. Dann kamen auch noch Putin und sein Angriffskrieg! Unfassbar. Petersburg scheint jetzt wie ein ferner Traum aus einer anderen Zeit und der Wunsch, noch einmal Russland zu bereisen, ist definitiv gestorben, so wie das Mütterchen, dass mich damals bei sich wohnen ließ. Gut, dass sie das nicht mehr miterleben muss!

Ja, ja, ja… auch wenn „Russen“ nicht identisch mit „Russland“ sind: Россия, я тебя больше не люблю!! Als der italienische Staat 2022 ein Förderprogramm für Solaranlagen auflegte, fand auch ich daher, dass es Zeit wurde, Putin den Stinkefinger zu zeigen.

Uns Europäern den Gashahn abdrehen?!? Diese Panik verursachende Idee schrie nach einer Gegenmaßnahme.

3 Gedanken zu „Mission Stinkefinger I – Ich liebe dich, ich liebe dich nicht

  1. B.

    Ich habe damals in Westdeutschland Russisch gelernt…. freiwillig 😁
    Ich trenne die Regierung von den Menschen, sehe aber auch in den nächsten Jahren keine Möglichkeit, dorthin zu reisen. Wahrscheinlich haben wir eh alle andere Probleme.😟

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      1. Corinna Autor

        Hallo, ich sehe Sinn darin. Natürlich kann man Russisch auch freiwillig lernen und irgendwie war es später ja bei mir auch freiwillig. Allerdings hast du recht, im Moment hat das Reisen und auch das Reisen nach Russland keine Priorität.

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